Interview mit Jana Herrmann

Jana Hermann, ehemalige Bundesvorsitzende der SJD – Die Falken, Interview mit Estefania Casajus

Estefania Casajus: Hallo, ich bin Estefania und führe jetzt ein Interview mit Jana. Jana wird sich gleich noch vorstellen. Wir befinden uns im Luise-und-Karl-Kautsky-Haus – im Bundesbüro der Falken – und möchten über den Terroranschlag auf Utøya sprechen, der sich dieses Jahr zum zehnten Mal jährt, und der Frage nachgehen, was so dieser Anschlag für die eigene politische Arbeit bedeutet. Dafür treffen wir uns. Hallo Jana, möchtest du dich kurz vorstellen?

Jana Hermann: Hallo Este, mein Name ist Jana Herrmann, ich bin bis letzten Monat Bundesvorsitzende der SJD – Die Falken gewesen, also bis Mai 2021, ich bin davor vier Jahre Bundesvorsitzende gewesen, insgesamt bin ich zehn Jahre im Bundesvorstand gewesen. Ich bin gewählt worden auf der Bundeskonferenz 2011 in Hamburg, das heißt, ich war auch schon im Bundesvorstand, als der Anschlag stattgefunden hat.

EC: Du bist also schon sehr lange bei den Falken und auch schon sehr lange auf Bundesebene aktiv. Und was sind so deine Themen, die dich in letzter Zeit bei den Falken besonders beschäftigt haben, wo du dir selber vielleicht auch Schwerpunkte gesetzt hast, oder die dir auch besonders wichtig waren, dass sie bei den Falken behandelt werden, und dass man sich bei den Falken damit auseinandersetzt?

JH: Ich bin ja seit vier Jahren Bundesvorsitzende, ich bin vor vier Jahren als Bundesvorsitzende gewählt worden, und dann haben wir zwei Jahre uns mit anderen Schwerpunkten auseinandergesetzt und haben dann zu unserer Bundeskonferenz 2019 in Recklinghausen eingebracht, dass wir uns gerne verstärkt mit dem Thema rechter Terror auseinandersetzen möchten, weil wir festgestellt haben, dass das was ist, was uns als Sozialistische Jugend Deutschlands akut betrifft, aber auch viele Menschen bewegt und auch persönlich betrifft, die sich bei uns organisieren, oder die wir wichtig finden, gesellschaftlich zu vertreten. Zu dem Zeitpunkt hatten viele Anschläge, die uns heute bewegen, noch nicht stattgefunden, deshalb haben wir uns damals entschieden, wir möchten … oder wir haben uns damals zum Anlass genommen, uns mit rechtem Terror auseinanderzusetzen, weil damals auch noch das Thema NSU sehr akut war, obwohl der auch zu diesem Zeitpunkt natürlich schon eine ganze Weile aufgedeckt war, aber wir hatten den Eindruck, es gab ja diese Schlussstrich-Debatten, also man hatte den Eindruck, unter den NSU soll jetzt ein Schlussstrich gezogen werden, man habe das alles soweit aufgeklärt, wie man es für notwendig hält, da sind die Täter. die noch lebten, verurteilt worden, Beate Zschäpe. und mit ihr gemeinsam wurden ja noch ein paar weitere Personen vor Gericht gestellt, und das waren dann die Zeiten, in denen man über diese Schlussstrich-Debatten diskutiert hat. Wir fanden das erstmal wichtig, sich weiterhin mit dem NSU zu beschäftigen, weil die NSU-Akten sind ja bis heute nicht vollständig freigegeben. Und unser Eindruck war, dass man das den Hinterbliebenen, auch den Opfern beispielsweise der Nagelbombenanschläge et cetera, dass man denen das schuldig ist, sich weiter mit der Thematik auseinanderzusetzen, weil die ja einfach jahrelang auch unter Verdacht standen, selber in diese ganzen Machenschaften involviert zu sein. Denen hat man ja Vorwürfe gemacht, in mafiösen Zusammenhängen aktiv zu sein, oder irgendwie mit kriminellen Drogengeschäften zu tun zu haben, und deswegen hätten diese Anschläge stattgefunden. Und wir fanden, dass man sich gesellschaftlich schon mehr damit beschäftigen muss als zu sagen „okay, ja tut uns leid, ihr hattet damit nichts zu tun“ und da einen Schlussstrich drunter zu ziehen. Das war einer der Anlässe.

Und es gab zwei weitere. Ein weiterer war, dass wir uns mehr mit den Anschlägen auf Geflüchtetenunterkünfte der 1990er Jahre auseinandersetzen wollten, weil ja auch die vermeintliche Flüchtlingswelle zu diesem Zeitpunkt noch nicht so lange her war, die ja auch noch einmal eine rassistische Debatte in Deutschland hat aufkommen lassen. Auch darüber wollten wir gerne sprechen und uns war auch wichtig, über Utøya zu sprechen, weil uns bewusst geworden war, dass dieses Jahr, 2021, sich der Anschlag zum zehnten Mal jähren wird. Und dieses Ereignis für die Sozialistische Jugend als Schwesterorganisation der AUF, die damals betroffen war, weil das für uns eine große Bedeutung hat und auch eine große Zäsur für den Verband dargestellt hat.

EC: Kannst du dich noch daran erinnern, wo du gewesen bist, als der Anschlag in Oslo und auf Utøya passiert ist?

JH: Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr hundertprozentig daran erinnern. Ich war auf jeden Fall nicht im Zeltlager. Ich bin in dem Jahr, glaube ich, gar nicht ins Zeltlager gefahren, weil ich da studiert habe seit einem Jahr, aber ich kann mich daran erinnern, dass das für uns als Bundes-SJ-Ring, damals waren wir sechs Mitglieder im Bundes-SJ-Ring, wir haben sofort Kontakt zueinander aufgenommen, das war ein großer Schock, weil wir wussten, das ist eine Schwesterorganisation der Falken, bei der das da passiert ist, und wir haben dann beziehungsweise einzelne Personen aus dem Bundes-SJ-Ring haben dann auch sehr schnell eine Gedenkfeier organisiert. Die hat damals in Dortmund in den Katharinentreppen stattgefunden. Da haben wir dazu aufgerufen, da zusammenzukommen und zu gedenken und es hat auch wahnsinnig viel mit uns gemacht, weil sich einige Gliederungen schon im Zeltlager befanden und wiederum andere in den Startlöchern befanden, ins Zeltlager zu fahren.

Und ich weiß, dass man damals dachte, weil der Täter ja auch von sich behauptet hat, er sei sehr gut vernetzt, und er sei Teil einer internationalen Bewegung, dass schon die Sorge im Raum stand, es könnten jetzt weitere Anschläge auf andere Zeltlager erfolgen, und sich viele dann überlegt haben, ob sie überhaupt ins Zeltlager fahren können. Einmal weil man so eine konkrete Gefahr vermutet hat, zum anderen aber auch, weil das Ganze so große Wellen geschlagen hat, dass das natürlich auch Eltern von potentiellen Teilnehmer:innen der Zeltlager mitbekommen haben, und die wiederum – also es hatte sich dann relativ schnell herausgestellt, dass sich dieser Verdacht, dass er so gut international vernetzt ist, gar nicht erhärtet, und es wahrscheinlich keine weiteren Anschläge gibt – aber Eltern von Teilnehmer:innen hatten diese Sorge, und dann weiß ich, dass viele Gliederungen dann noch einmal extra Elternabende eingeführt haben, nochmal extra Kontakt mit den Eltern aufgenommen haben, um die Zeltlager überhaupt stattfinden lassen zu können. Das war damals ein sehr großes Thema. Und es sollte damals ja auch ein IUSY-Camp in dem Jahr stattfinden, zu dem auch Falken hinfahren sollten, und es war wirklich Tage davor, also sehr kurzer zeitlicher Abstand, und auch da gab es große Bedenken, dieses Zeltlager überhaupt stattfinden zu lassen.

EC: Und wie hast du von dem Anschlag erfahren?

JH: Ich denke, dass ich tatsächlich über meine Genoss:innen aus dem Bundesvorstand darüber in Kenntnis gesetzt worden bin, weil 2011 war ja noch gar nicht so die Zeit von Facebook, also ich hatte zu der Zeit, glaube ich, noch kein Facebook oder irgendwelche Smartphone-Nachrichtenapps, und habe mich dann aber im Internet natürlich sofort darüber informiert, was da vorgefallen ist. Aber ich bin mir relativ sicher, dass ich wahrscheinlich von Julian Holter oder Josephin Tischner oder Roland Brose aus dem Bundesvorstand darüber informiert worden bin damals.

„Uns ist schon relativ schnell klargeworden, dass das ein Angriff auf die Arbeiter:innenjugend gewesen ist“

EC: Und was waren deine ersten Gedanken, die dir aufgekommen sind, als du das erfahren hast, und wie hast du dich darüber ausgetauscht? Wie habt ihr das im Bundesvorstand damals diskutiert?

JH: Also ich glaube, das war ein wahnsinniger Schock. Man hat sich natürlich, auch wenn das heute vielleicht ein bisschen egoistisch klingt, als erstes hat man natürlich immer Angst, dass jemand dagewesen sein könnte, den man kennt, und dass jemand betroffen sein könnte, mit dem man vielleicht schon mal irgendwo Zeit verbracht hat. Also man fragt sich dann auch: Sind vielleicht Falken auf diesem Camp gewesen? Und gleichzeitig ist uns schon relativ schnell klar geworden, dass das nichts ist, was für sich steht, also dass das ein Angriff auf die Arbeiter:innenjugend gewesen ist. Also damit, dass das eine Schwesterorganisation von uns war, es war ja auch relativ schnell klar, dass das wahrscheinlich ein rechter Anschlag gewesen ist, und deswegen hat das bei uns ganz ganz große Angst ausgelöst, also die große Sorge, dass man sich jetzt auch gezielt Kinder und Jugendliche als Anschlagsopfer raussucht.

Es hat eine große Sicherheitsdebatte bei uns ausgelöst – und gleichzeitig aber auch das Bewusstsein, dass in solchen Zeiten, wo man als Bewegung angegriffen wird, der Zusammenhalt auch wichtiger wird. Also dass wir mit sowas nicht alleine umgehen wollen, dass wir nicht alle zu Hause sitzen wollen, und Zeltlager ausfallen lassen wollen, die für uns so viel bedeuten, sondern dass es jetzt gerade wichtig ist, die Sachen durchzuziehen und sich gemeinsam zu treffen und gemeinsam darüber auszutauschen, weil man mit diesen Ängsten nicht alleine bleiben sollte. Und wir sind ja auch nicht als Einzelpersonen angegriffen worden, sondern die Bewegung ist angegriffen worden. Der Täter hat sich ja damals, das war zu diesem Zeitpunkt ja gar nicht so klar, aber später hat sich ja herausgestellt, der hat das bewusst gemacht, um die Zukunft der – für ihn: Kulturmarxisten – für uns: sozialistischen Bewegung auszulöschen. Es war ja das erklärte Ziel, eine Generation von politischen Aktivisten komplett auszuradieren. Und gerade deswegen ist es, glaube ich, wichtig, sich dagegen zu organisieren und sich nicht einschüchtern zu lassen, weil sonst hat man ja das indirekt auch zugelassen, dass das tatsächlich auch passiert, wenn man sich davon so verunsichern lässt, dass man die politische Arbeit einstellt.

EC: Das heißt, ihr seid einerseits bei den Falken noch einmal enger zusammengerückt, dass man Orte gesucht hat, wo man darüber sprechen kann, aber vielleicht auch für die internationale Arbeit, dass man da enger zusammengerückt ist mit den Partner:innen in Europa, aber auch in anderen Ländern. Was würdest du sagen, welche Rolle spielt der Anschlag auf Utøya heute für die Falken?

JH: Ich würde sagen, jetzt gerade in dem Jahr, in dem es sich zum zehnten Jahr jährt, nochmal eine ganz besonders große Rolle. Aber insgesamt ist es im kollektiven Bewusstsein schon drin. Weil ich stelle jetzt immer wieder fest, wie Genossinnen und Genossen, die jetzt so 14 – 15 sind, die sind ja zu der Zeit noch im Kindergartenalter gewesen, die haben das also damals nicht bewusst mitverfolgt, viele waren vielleicht auch noch gar nicht bei den Falken. Und uns ist es deswegen schon ein großes Anliegen, mit ihnen über das Thema zu sprechen, und gleichzeitig ist es wahnsinnig schwer, mit jungen Menschen über einen Terroranschlag auf ein Zeltlager zu sprechen, wenn man zum Beispiel mit ihnen auf in Zeltlager fahren will oder gerade in einem Zeltlager ist. Weil das Ziel unserer Bildungsarbeit ist ja nicht, Leuten Angst zu machen, oder ihnen ein Gefühl zu geben, dass sie unsicher sind, wo man sich gerade befindet.

„Man stellt sich unweigerlich die Frage: Könnte so etwas auch bei uns passieren?“

Gleichzeitig ist uns sehr wichtig, einmal aus internationaler Solidarität, also weil es ein Angriff auf eine Schwesterorganisation gewesen ist, mit der wir, glaube ich, als Falken gar nicht so besonders eng waren. Also das ist ja schon auch eine Parteijugend, und wir haben in der IUSY und YES sehr viele Parteijugenden als Schwesterorganisationen, aber ich könnte mich jetzt nicht erinnern, dass wir in den letzten zehn, fünfzehn Jahren besonders aktiv Kontakt mit der AUF gesucht hätten, wenn nicht das passiert wäre. Weil man gar nicht so … das hat sich gar nicht so ergeben, jetzt gar nicht als bewusste Entscheidung. Aber aus Solidarität bezüglich dessen, was da passiert ist, haben wir uns da schon viel damit auseinandergesetzt, und weil es im Zeltlager sehr häufig um den 22. Juli geht, das auch immer wieder aufkommt, es finden ja Gedenkveranstaltungen auch in den Zeltlagern üblicherweise statt, und dann kommen da viele Fragen auf, und damit befassen wir uns dann.

Und es ist auch insofern relevant, dass man sich ja dann damit unweigerlich die Frage stellen muss: Könnte so etwas bei uns auch passieren, weil wir Linke sind? Also könnten wir als linke Organisation auch Ziel von einem Terroranschlag werden? Oder bringen wir uns in irgendeiner Art und Weise in Gefahr, dass wir uns zu Rassismus äußern, dass wir offen sagen, wir machen sozialistische Erziehung, wir sind ein feministischer Verband? Alles das sind ja Dinge, für die der Täter damals die AUF verantwortlich gemacht hat. Also er hat ja die Flüchtlingspolitik Norwegens kritisiert, er sich auch sehr kritisch über die Rolle von Frauen in der sozialdemokratischen Partei und wie sie die Rolle der Frauen in der Gesellschaft verändert hat geäußert – und das sind ja alles Dinge, für die stehen wir aus Überzeugung, und damit macht man sich ja auf eine gewisse Art und Weise zu einem attraktiven Anschlagsziel. Und gleichzeitig, in dem Moment, wo man da aufhört, für diese Dinge zu kämpfen, haben solche Täter eben ihr Ziel erreicht. Und bei uns organisieren sich ja auch nicht nur Linke, sondern bei uns organisieren sich ja Menschen, die in vielfältiger Art und Weise für das stehen, was diese rechten Täter hassen, also bei uns organisieren sich Menschen, die People of Color sind, Frauen, die einen positiven Bezug zum Feminismus haben, bei uns kann sich jede:r organisieren, unabhängig von Behinderungen oder Einschränkungen, und genau das sind ja Dinge, die solche Täter versuchen anzugreifen. Und deshalb ist es für uns sehr präsent.

Also man kann auch sagen, möchte ich noch einmal hinzufügen, dass das auch nicht nur uns durch Utøya bewusst geworden ist. Meine Vorgängerin Josephin Tischner ist am Ende ihrer Amtszeit auch kontaktiert worden vom Verfassungsschutz, weil die SJD – Die Falken auf einer Anschlagsliste des NSU gestanden haben. Also auch da sind wir … also man weiß natürlich überhaupt nicht, was das heißt, – vielleicht war es auch nicht der Verfassungsschutz, sie ist auf jeden Fall von behördlicher Seite kontaktiert worden – weil die Falken, das Falken-Bundesbüro auf so einer Liste des NSU, die bei dem gefunden wurde, gestanden haben – und man weiß halt nicht, was das heißt, es könnte bedeuten, dass sie das irgendwie das Luise-und-Karl-Kautsky-Haus ausgespäht haben, aber es könnte auch sein, dass sie beim Googeln darauf gestoßen sind und das mit auf eine Liste aufgenommen haben. Aber auch da muss man sagen, dass … ja, dass … weiß ich gerade nicht, Entschuldigung.

EC: Ja, ich glaube auch, die Bedrohung von rechts gegenüber linken Jugendverbänden oder anderen linken Gruppierungen ist ja wirklich real und in der Geschichte der Falken gab es ja auch immer wieder rechte Übergriffe, dass Genoss:innen zusammengeschlagen worden sind, es hat mehrere Brandanschläge auf das Anton-Schmaus-Haus der Falken in Neukölln gegeben, es hat Ankündigungen von Nazis gegeben, dass die auf Sommerzeltlagern mit Kindern ab acht Jahren vorbeikommen, also diese Bedrohung ist ja durchaus sehr real. Also so dass rechter Terror eben ein Anschlag wie auf Utøya ist, aber dass rechter Terror vielleicht auch noch etwas weiter gefasst werden kann. Wie siehst du das?

JH: Ja, da würde ich dir auf jeden Fall zustimmen. Ich finde, man merkt schon im Verband eine Veränderung mit der Begrifflichkeit des Terrors umzugehen. Weil da vorher eine ganz große Sperre war. Es haben ja im selben Jahr, als die Utøya-Anschläge stattgefunden haben, auch zwei Anschläge auf das Anton-Schmaus-Haus in Neukölln stattgefunden. Also es ist zweimal im selben Jahr abgebrannt, und zum Glück waren da keine Menschen im Haus. Aber der eine Anschlag war auch in der Reichspogromnacht, also am 9. November. Und als das 2011 passiert ist, war es auch ein großes Thema, weil das Anton-Schmaus-Haus große Probleme mit der Versicherung bekommen hat, und nur unter hohen Sicherheitsbedingungen wieder aufgebaut werden konnte. Wir haben jedenfalls sehr viel darüber diskutiert und ich wüsste nicht, dass wir damals den Begriff rechter Terror dafür verwendet hätten – sondern wir haben von faschistischen Anschlägen, von Nazis et cetera gesprochen, weil man sich glaube ich da gar nicht – also man wollte so ein großes Wort dafür nicht benutzen, man hat das als unangemessen empfunden. Und das ist uns am Anfang, als wir angefangen haben, uns mit rechtem Terror auseinanderzusetzen, unserem Projekt „Kontinuitäten …“, wie heißt es denn …

EC: … „Kontinuitäten durchbrechen“ …

JH: „Gegen rechten Terror – Kontinuitäten durchbrechen”. Als wir angefangen haben, uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen, ist uns erstmal ein bisschen Gegenwind entgegengekommen, weil Leute das Gefühl hatten, man macht sich selber damit irgendwie wichtig, oder man will da jetzt die Linken in den Fokus rücken, wo eigentlich vor allem Betroffene von Rassismus, Betroffene von Ableismus et cetera stehen sollen.

Und ich würde sagen, dass das alles miteinander zusammenhängt. Und das genau das den rechten Terror ausmacht, dass das nicht Einzeltaten sind, sondern dass das ein größeres Netzwerk ist, in dem Leute bewusst agieren, und sich untereinander auch vernetzen.

„Das Ziel (rechten Terrors) ist, Leute so zu verunsichern, dass sie aufhören, politisch aktiv zu sein“

Und dies Vernetztsein bedeutet ja noch nicht einmal unbedingt, dass sie sich kennen und miteinander chatten oder so, sondern solche Täter beziehen sich positiv aufeinander – also bei total vielen Terroranschlägen, die in den letzten Jahren stattgefunden haben, haben sich die Täter positiv auf Anders Breivik bezogen, als jemanden, den sie als ihr Vorbild betrachtet haben, weil er in der Sache endlich mal durchgesetzt hat. Und für die Betroffenen, also für alle, die auch potentiell Opfer von so einem Anschlag werden könnten, entsteht der Terror ja dadurch, dass man nie weiß: Wann könnte jetzt was passieren? Kann ich das machen oder bringe ich mich dadurch in Gefahr? Bin ich eigentlich einem größeren Risiko ausgesetzt, wenn ich mich bewusst für politisches Engagement entscheide?

Das Ziel dabei ist ja die Leute so zu verunsichern, dass sie aufhören, politisch aktiv zu sein. Oder beispielsweise im Fall, wenn sich rechter Terror gegen Geflüchtete richtet, ist ja auch das Ziel der Täter – diese Leute sollen das Land verlassen, die sollen sich hier nicht sicher fühlen, und deswegen sollen die jetzt verschwinden – und das ist ja in einer Art und Weise auch sehr wirkmächtig, das funktioniert ja auch, und genau das würde ich sagen macht rechten Terror aus. Also man kann nicht nur von Terror sprechen, wenn dabei besonders viele Menschen oder eine bestimmte Anzahl von Menschen gestorben ist, oder wenn bestimmte Waffen verwendet worden sind, sondern dieses Konstrukt, Menschen kollektiv als Gruppe Angst zu machen, das macht den Terror aus.

EC: Also Terror ist quasi auch der tägliche Rassismus, den Leute auf der Straße erfahren, oder die täglichen Anfeindungen, was sich ja auch ins Gedächtnis einbrennt, oder was, wie du ja schon auch sagst, einem so sehr Angst machen kann, dass man sich nicht mehr traut, sich politisch zu äußern, oder sich nicht mehr so kleidet, wie man es vielleicht möchte?

JH: Ich denke, das bildet die Grundlage dafür. Also ich glaube, dass ein Großteil der Wirkungskraft, die rechter Terror hat, sich dadurch entfaltet, dass Leute Angst haben, Opfer von Terror zu werden. Und genau wie du sagst – also das ist auch ein gutes Beispiel, da haben wir jetzt noch gar nicht drüber gesprochen – auch queere Personen als potenzielles Anschlagsziel, dass auch ihnen möglicherweise dann subtil unterstellt wird, man sollte die eigene Queerness oder die eigene sexuelle Orientierung oder die Menschen, die man liebt, man sollte das vielleicht ein bisschen besser verstecken. Das ist dann sowas, was dazugehört, also dass gesagt wird, also manche Menschen können das ja nicht, aber du musst ja nicht so rumlaufen, du musst ja nicht auf der Straße Händchen halten, du musst dich ja nicht so und so anziehen, dass man unterstellt bekommt, man würde es ja auch herausfordern, durch sowas angegriffen zu werden, und das finde ich ein Riesenproblem, weil man Leuten dann eigentlich so eine Mitschuld an diesem Konstrukt der Angstmacher gibt, und man könnte das ja vermeiden. Und wir Falken stehen für eine Welt, in der jeder und jede so sein kann, wie sie sein möchte, und frei leben kann, wie sie sein möchte oder wie er sein möchte, und das ist für mich einfach keine Option, dass Leute sich einschränken müssen, damit sie nicht potentiell Opfer von Gewalt werden.

EC: Das heißt also, gerade oder trotz dieser Anschläge oder trotz des rechten Terrors oder gerade deswegen muss man sich auch die Stimme erheben, vielleicht auch für Genoss:innen, die es gerade nicht können, oder die eingeschüchtert werden oder die bedroht werden, also dass auch so die Rolle von Sozialist:innen ist, miteinander zu kämpfen, aber auch im Zweifelsfall für andere einzustehen, die es gerade vielleicht nicht können.

JH: Ja, das würde ich schon so sehen, also in dem Moment, wo wir darauf aufmerksam machen, dass wir uns als Organisation durch sowas bedroht sehen, geht es uns natürlich nicht nur um die Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken, sondern es geht uns darum aufmerksam zu machen, dass das was ist, was Menschen, die sich nicht nach bestimmten … nein, das stimmt noch nicht mal, also das ist ja potentiell in dem Moment, wo du dich in irgendeiner Form äußerst oder in irgendeiner Form nicht der rechten Ideologie, dem rechten Weltbild entspricht, machst du dich ja potentiell angreifbar. Und deswegen stehen wir in Solidarität mit allen, die ihr Leben frei davon leben möchten, frei von Angst leben möchten.

EC: Und was würdest du sagen, hat der Anschlag auf Utøya mit der Gesellschaft zu tun, in der wir leben? Also auch so ein bisschen die Frage, zu der Empörung, die Leute vielleicht haben, als sie das mitbekommen haben, also dass man sich so wundert, warum sowas auf einmal passiert, oder wie solche Anschläge eigentlich passieren, wenn man irgendwie so die Gesellschaft vielleicht eher so wahrnimmt aus so einem Bild, dass es eine politische Mitte gibt, und dann irgendwie so die Ränder rechts außen, was, glaube ich, häufig so mit so Empörung oder diesem Erschrecken auch einhergeht, wenn man von solchen Anschlägen mitbekommt. Oder nochmal anders: Was würdest du sagen, was hat der Anschlag auf Utøya mit der Gesellschaft zu tun, in der wir leben?

JH: Also, ich glaube, dass rechter Terror allgemein erstmal etwas ist, was gesellschaftlich überhaupt nicht ernst genommen wird, weil man davon immer ausgeht, dass jede Tat, die passiert, für sich steht, und der größere Zusammenhang, dass wir eine Gesellschaft sind, die solche Täter produziert, wird, glaube ich, erstmal nicht erkannt in dem Moment. Wo man beispielsweise den NSU, das Umfeld des NSU nicht mehr untersucht, sich nicht genau anguckt, wie sind die Leute eigentlich in das, was da passiert ist, verstrickt gewesen, wenn man die Öffentlichkeit nicht auch voll und ganz transparent darüber aufklärt, wer da alles involviert war, wie auch die Rolle des Verfassungsschutzes und der Polizei war, – in dem Moment lässt man zu, dass sich aus dem Umfeld neue Täter:innen rekrutieren, also Menschen, die wieder bereit sind, solche Taten zu begehen. Und das ist ein gesellschaftliches Problem, was meiner Meinung nach immer noch nicht angegangen worden ist. Also wir haben das jetzt in den letzten Jahren bei Hanau und bei Halle gesehen, wir haben das bei dem Mordfall Walter Lübcke gesehen, teilweise sind die Prozesse auch schon transparenter gelaufen, aber es gibt immer noch die Vorstellung davon, dass sich eine einzelne Person im Internet radikalisiert hat, und gar nicht die Vorstellung davon, dass eine Person – also diese Täter gehen häufig davon aus, dass sie der Gesellschaft jetzt etwas Gutes tun, indem sie diesen Anschlag machen, die denken, alle Leute in der Gesellschaft denken so wie ich, alle hassen hier die Flüchtlinge, alle hassen hier die Juden und ich bin hier jetzt derjenige der aktiv wird und der das endlich mal durchzieht – man geht von einem gesellschaftlichen Konsens aus. Und davon können sie ja nur ausgehen, weil die Gesellschaft gar nicht klar genug sich gegen solche Ideologien positioniert, also in dem man sich nicht auf die Straße begibt, wenn eine Synagoge angegriffen worden ist, oder indem man nicht Rassismus benennt, gibt man im Stillen den Tätern immer recht mit dem, also auch wenn, wir haben ja gerade auch schon darüber gesprochen, dass so rassistische Äußerungen oder so Mikroaggressionen oder so, dass die auch ein Teil von rechtem Terror sind, weil die immer wieder solchen Leuten Recht geben in dem was sie tun – also ihnen den Eindruck vermitteln, sie würden jetzt etwas machen, was sich alle erhoffen, dass das irgendwann mal jemand tut.

EC: Ja, das ist auch mein Eindruck, also das ist so, als wäre man so der Vollzieher des Willens einer stummen Masse oder so, die irgendwie, ja …

JH: Genau.

EC: … die schweigt, aber auch eigentlich genau das möchte. Was ja auch ein bisschen mit Wahnvorstellungen zu tun hat, würde ich sagen.

JH: Aber auch da würde ich sagen: Das ist ja wieder eine totale Gefahr. Man geht davon aus, die Leute imaginieren sich irgendetwas, und deshalb sind die in irgendeiner Art und Weise verrückt. Und das würde ich wiederum auch nicht sagen. Die haben es geschafft, so eine Tat zu planen, und die haben es geschafft, sich die entsprechenden Waffen zu besorgen. Wie im Falle von Anders Breivik: Der hat das geschafft, so ein Manifest sich zusammenzuklauen und zu -kopieren meinetwegen, aber das an etliche E-Mail-Adressen-Empfänger zu versenden, der hat das geschafft über Wochen und Monate sich das Material für den Bau einer Autobombe zusammenzuorganisieren, und der ist nicht verrückt, der ist überzeugt von der Ideologie, für die er dann bereit ist, in einen bewaffneten Kampf zu gehen. Und das gilt, glaube ich, für die meisten dieser Täter, also das ist natürlich … das kommt einem Wahn hervor, aber die Leute haben sehr bewusst und überzeugt gehandelt in dem Moment, als sie bereit waren, auch dafür zu morden, was die politisch denken.

EC: Ja, vielen Dank für deine Ausführungen. Möchtest du zum Abschluss noch etwas sagen oder etwas mitgeben?

JH: Ja, ich würde vielleicht gerne noch einmal ein bisschen über das Thema Gedenken sprechen und warum das eigentlich für uns als Verband so wichtig ist, sich mit Gedenken auseinanderzusetzen. Weil als wir angefangen haben, über das Thema rechter Terror zu sprechen bei der SJD – Die Falken, gab es ganz große Bedenken, ob man, wenn man jetzt – wir haben immer gesagt „neuer rechter Terror“ am Anfang, mittlerweile sind wir dazu übergegangen, einfach „rechter Terror“ zu sagen – und wir hatten irgendwie das Bedürfnis, eine Gedenkkultur zu schaffen, für das was da passiert ist, und uns ist häufig dann begegnet, dass Leute sich Sorgen gemacht haben, dass wir diese Taten mit dem Terror des Nationalsozialismus vergleichen würden, indem wir uns mit Gedenkkultur auseinandersetzen und damit irgendwie versuchen würden, ja, da Parallelen zu ziehen. Und wir haben uns ja als Verband vor einigen Jahren auch anlässlich der 75-jährigen Befreiung von Auschwitz damit auseinandersetzt, wie wir dem nationalsozialistischen Terrorregime gedenken können, oder wie wir den Opfern des Holocausts gedenken können, und, ich glaube, Leute haben sich Sorgen gemacht, dass wir das irgendwie miteinander vermengen, und dass das irgendwie eine unsachliche Vermengung da passieren könnte.

„Gedenken ist Ausdruck politischer Verantwortungsübernahe“

Und dabei muss man sich aber bewusst machen, dass die Menschen, die solche Terroranschläge überlebt haben, oder bei denen im Umfeld sowas passiert ist, vielleicht also Angehörige, die jemanden verloren haben, dass das für die wahnsinnig wichtig auch ist, dass sie gesellschaftliche Solidarität bekommen, und dass sie nicht die einzigen sind, die denjenigen gedenken, die da gestorben sind. Weil das ist dann immer so ein individualisiertes Denken: Man kannte jemanden und man ist traurig darüber, dass der tot ist. Aber Gedenken ist ja ein Ausdruck von politischer Verantwortungsübernahme. Also man stellt fest, da ist etwas passiert, das ist absolut schrecklich gewesen, und wir übernehmen jetzt die Verantwortung, zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert, indem wir aber auch gleichzeitig unserer Trauer Ausdruck verleihen, dass so etwas passieren konnte.

Und deswegen finde ich es total wichtig, dass nicht nur diejenigen, die davon ganz akut betroffen waren, solches Gedenken organisieren, und deswegen haben wir als Falken uns entschieden, dass wir für Utøya auch ein Denkmal haben möchten. Dass wir einen Ort haben, an den wir kommen können, um uns zu erinnern, was da passiert ist. Und in den vergangenen Jahren hat dieses Gedenken immer an den Nordischen Botschaften in Berlin stattgefunden, da sind am 22. Juli die Falken und die Jusos zu den Nordischen Botschaften gekommen und haben die Namen oder auch die Gesichter der Verstorbenen von Utoya da auf den Boden gelegt und haben Lieder gesungen und haben Reden gehört und haben auch die Namen der Verstorbenen verlesen. Und uns ist das aber auch erstmal wichtig, dass man auch einen festen Ort hat, an den man kommen kann, zu jeder Zeit im Jahr. Und wir fanden dass, die Nordischen Botschaften auch nicht der komplett richtige Ort sind. Also es ist natürlich der regionale Bezug und wir wissen auch, dass die Mitarbeiter der Nordischen Botschaft das Thema auch wichtig finden, aber wir wollten noch einmal darauf aufmerksam machen, dass da nicht die Nation Norwegen angegriffen worden ist, sondern da ist die Arbeiter:innenjugendbewegung angegriffen worden, und wir haben uns deswegen auch bewusst dazu entschieden, das Denkmal an das Anton-Schmaus-Haus in Neukölln zu setzen, weil das ASH auch nicht das einzige Anschlagsziel in Neukölln der letzten zehn Jahre gewesen ist. Also da sind von Politiker:innen über Buchläden bis hin Personen, die PoC waren, in Neukölln viele Menschen angegriffen worden. Also es hat Brandanschläge gegegeben, es hat auch einen bis heute nicht aufgeklärten Mord an Burak Bektaş gegeben, der hat ja auch ein Denkmal in Neukölln bekommen, und auch da weiß man aber gar nicht, wer sind die Personen, die eigentlich hinter dieser Anschlagsserie stehen. Und da könnte man jetzt sagen, das hat nichts miteinander zu tun, das eine hat in Norwegen stattgefunden, das andere hat in Neukölln stattgefunden – und ich würde sagen, das hat total viel miteinander zu tun, weil genau hier, dadurch, dass es keinen vernünftigen Ansatz gibt, diese ganzen Dinge miteinander in Zusammenhang zu bringen und die aufzuklären, übernimmt man nicht die Verantwortung insofern, zu verhindern, dass das weitergeht. Und ich glaube deswegen ist Neukölln und das Anton-Schmaus-Haus genau der richtige Ort um so ein Mahnmal aufzustellen, und zu sagen, solche Dinge passieren, wenn die Gesellschaft sich nicht kritisch mit Rechten in ihrer Mitte auseinandersetzt.

EC: Und was sind eure Pläne für den 22. Juli dieses Jahr?

JH: Am 22. Juli soll das Denkmal eröffnet werden. Es ist eine Bronzetafel, die die Namen aller Opfer enthält, auch derjenigen von Oslo, weil es uns wichtig ist, auch mit zu nennen, auch wenn die ja nicht Teil unserer Schwesterorganisation gewesen sind, aber das war ja ein Versuch des Angriffs auf das Büro von Jens Stoltenberg, der ja auch Mitglied der Arbeiterpartei in Norwegen ist.

Und wir möchten am 22. Juli neben dem Denkmal auch Bildungsmaterial dazu freigeben, bekanntgeben, öffentlich machen, das heißt, es wird an dem Denkmal einen QR-Code geben, über den man, über den ja vielleicht Leute, die jetzt zuhören, auch auf dieses Material gestoßen sind, weil uns wichtig ist, das uns auch zu kontextualisieren – wie ich gerade schon gesagt habe: manche Menschen, die jetzt 16 sind, sind damals noch zu jung gewesen, die wissen vielleicht nicht, was damals passiert ist – und ein bisschen zu erläutern, auch was die Ideologien sind, die wir da bekämpfen, das ist uns wichtig.

Und wir möchten gerne auch eine größere Veranstaltung in diesem Rahmen organisieren, weil es eben das zehnjährige Gedenken ist, das heißt, es wird eine Podiumsdiskussion geben mit Menschen, die sich mit der Thematik auseinandergesetzt haben. Uns ist auch wichtig, wenn wir das … also uns wäre wichtig das zu schaffen, auch Opferperspektiven in diese Diskussion reinzubringen, Menschen zu Wort kommen zu lassen, die von rechtem Terror betroffen sind, oder akut darunter leiden. Wir würden auch gerne einen der Utøya-Filme öffentlich zeigen, weil natürlich Filme auch eine wichtige Form von Auseinandersetzung mit solcher Themen sind, die erreichen noch einmal ganz andere Menschen, und das ist eine kulturelle Form von Auseinandersetzung mit solchen Themen, die wir auch gerne unterstützen möchten, obwohl das, glaube ich, nicht der einzige Bildungsinhalt sein sollte, sich einen Film anzugucken.

EC: Das heißt, ihr macht nicht nur ein Gedenken, wie die Jahre davor auch, sondern schafft ein Fest, einen Gedenkort in Berlin, in Neukölln, den auch zukünftig Jugendliche und Genoss:innen besuchen können, an dem man sich bilden kann, einerseits zu Utøya, zu dem Terroranschlag, zu unserer Schwesterorganisation, der AUF, aber eben auch angehalten ist, sich damit auseinanderzusetzen, was rechter Terror eigentlich bedeutet, wie Täter:innen miteinander vernetzt sind, und wie viel das eigentlich mit der Gesellschaft oder auch den gesellschaftlichen Umgangsformen zu tun hat, in denen wir leben, und das ist somit eine Einladung auch für alle, die sich damit auseinandersetzen wollen, den Ort zu besuchen, unseren Gedenkort, den wir dort schaffen möchten.

JH: Ja, wir haben uns auch mit der Frage, ob wir das Denkmal dahin setzen möchten, gar nicht so leicht getan, weil das Anton-Schmaus-Haus ja umzäunt ist mit einem sehr, sehr hohen Zaun, der Bedingung der Versicherung war, um das Haus überhaupt wieder aufzubauen. Es gibt Kameras und man kann auch nicht auf das Gelände. Und das widerspricht natürlich im ersten Moment auch unserer Vorstellung von einem Denkmal, das immer zugänglich ist für alle, und wo man jederzeit hinkommen kann, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen; gleichzeitig bedeutet das natürlich auch Schutz für das Denkmal, weil es, glaube ich, nicht so absurd ist zu befürchten, dass Menschen sich das Denkmal als Ziel für Graffiti oder Säureanschläge aussuchen könnten. Das hat ja bei dem Denkmal auch an Burak Bektaş hier auch so stattgefunden, also das ist auch mit Säure bespritzt worden, deswegen sind wir ganz froh darüber, dass das Denkmal durch den Zaun ein bisschen geschützt ist. Und wie gesagt, der räumliche Bezug zu Neukölln war uns sehr wichtig, und dass vielleicht auch Jugendliche, die diese Einrichtung besuchen, zufällig da vorbeikommen, fragen, was das passiert ist, und das zum Anlass nehmen zu können, sich mit dem Thema zu beschäftigen, oder vielleicht Lust haben, mehr darüber herauszufinden.

EC: Ja, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast und dich mit mir zu dem Thema rechter Terror ausgetauscht hast, und auch, was die Falken so alles planen, und die Idee von eurem Denkmal, vielen Dank.

JH: Sehr gerne.

EC: Und mach‘s gut!

Beide: Tschüss!